1898: Bekanntwerden der Sarajewo Haggada (Aragon, 14. Jh., Sarajewo, Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina) – erstmalige Aufarbeitung des bis damals bekannten Wissens um eine jüdische Bildkunst
1932: Entdeckung der Synagoge von Dura Europos,...
mehr anzeigen
1898: Bekanntwerden der Sarajewo Haggada (Aragon, 14. Jh., Sarajewo, Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina) – erstmalige Aufarbeitung des bis damals bekannten Wissens um eine jüdische Bildkunst
1932: Entdeckung der Synagoge von Dura Europos, 244 n.u.Z.
Marginalisierung der jüdischen Bildkunst in der Forschung – sowohl des Judentums (wegen des Bilderverbotes) als auch der Kunstgeschichte (wegen der abgelegenen Lage von Dura Europos am östlichen Rand des römischen Reiches)
Diskussion des Bilderverbotes von der Bibel bis zur rabbinischen Literatur – vor dem 2. Weltkrieg Annahme von nicht-orthodoxen Randgruppen, während das „normative“ Judentum bilderfeindlich gewesen sei
Neue Ansätze in der Forschung nach dem 2. Weltkrieg: spätantike Beispiele und mittelalterliche Handschriften konnten relativ schnell aufgearbeitet werden, während die Handschriften aus dem Barock noch der Pionierarbeit bedurften.
Besprechung verschiedener Beispiele von Dura Europos: Auffindung des Mosesknaben und Auferstehung der Toten aus der Ezechielgeschichte (s. Vortrag “Tod und Auferstehung”)
Mitte des 6. Jh. Erstarken des jüdischen Nationalbewußtseins: Aufgabe der griechischen Sprache, Hebraisierung der Synagogalliturgie, und im Zuge all dessen auch rigorose Ablehnung einer Bildsprache
Erst im 13. Jh. konnte sich die Figuralkunst in der Atmosphäre der mittelalterlichen urbanen Kultur wieder entfalten. Jüdische Künstler konnten sich die Techniken der Buchmalereien im Rahmen urbaner Skriptorien aneignen.
Drei Gruppen mittelalterlicher hebräischer Handschriften:
Aschkenas: Deutschland und Nordfrankreich
Sefarad: Iberien und Südfrankreich
Italien
Im aschkenasischen Raum ist eine besonders deutliche Abgrenzung dieser jüdischen Buchkunst von ihrer Umgebung festzustellen. Hier spielt die jüdische Kommentarliteratur eine besonders starke Rolle.
Diese Kunst zeichnet sich außerdem durch eine Zurückhaltung der menschlichen Figur gegenüber aus: zumeist sind die Gesichter der dargestellten Figuren bedeckt (Genesis-Initiale, Aschkenasische Bibel in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand, Würzburg, 1236–38), oder sie sind durch Tierköpfe ersetzt (Gesetzesübergabe, Vogelkopf-Haggada im Israel Museum, Jerusalem, Rheinland, ca. 1300, eschatologische Szenen in der Aschkenasischen Bibel in der Bibliteca Ambrosiana in Mailand); mitunter bleiben die Köpfe ohne Gesichtszüge.1
Kurze Besprechung der Mikrographie (Jonasdarstellung in British Library, MS Add. 21160, Bibel, ca. 1300)
Regensburger Pentateuch (Israel Museum): biblische Szenen mit vollen menschlichen Darstellungen. Die Szenen sind stark von der rabbinischen Kommentarliteratur geprägt (Beschneidung des Isaak, Bindung des Isaak)
Aschkenasische Haggada-Illustration des 15. Jh. als weiteres zentrales Genre der hebräischen Buchmalerei: Zweite Nürnberger Haggada (London, Sammlung David Sofer, vorm. Schockenbibiliothek): Die Weisen von Bne Braq, ein Thema, das im Text der Haggada erwähnt ist. Die Textillustrationen sind in dieser Handschrift parallel auch von einem fortlaufenden, chronologisch angeordneten Bibelzyklus begleitet (Auffindung des Mosesknaben). Wie zumeist üblich in der aschkenasischen Haggada-Illustration erscheinen die Bilder als ungerahmte Zeichnungen am Blattrand. Die biblischen Illustrationen sind stark von der rabbinischen Kommentarliteratur beeinflusst.
In Iberien blüht die Haggada-Illustration im 14. Jh. und trägt einen anderen Charakter, z. B. Goldene Haggada (British Library, Barcelona, c. 1320). Diese Tradition ist einerseits stark von der christlichen Kunst, andererseits von der rabbinischen Literatur geprägt (Turmbau von Babel, Abraham im Feuerofen Nimrods); Sarajewo Haggada (Gastmahl des Josef)
Die italienische Handschriftenillustration ist besonders stark von der christlichen Kunst beeinflusst: Parma Psalter, 13. Jh. (Ps. 138: An den Flüssen von Babylon); Parma Pentateuch, 15. Jh. (Beginn von Dtn: Moses spricht zu den Israeliten).
Bilderbibel des Moses dal Castellazzo, Venedig: Kopie einer Holzschnittbilderbibel als dem späten 15. Jh. (vorm. Warschau, Hist. Inst., verloren): Biblisches Pesachfest (die einzige Szene für die auch ein originaler Holzschnitt erhalten ist). Alle Bilder sind von hebräischen und italienischen Bildtiteln begleitet. Wie andere jüdische Illustrationstradition ist auch der Zyklus der Castellazzo Bibel stark von der rabbinischen Literatur geprägt (Kundschafter aus dem Heiligen Land).
In Italien, wo sich Juden verschiedener Gemeinden befinden, stießen die aschkenasiche und die sefardische Illustrationstradition aufeinander und beeinflußten sich gegenseitig.
Seit dem 16. Jh. entstanden gedruckte Haggadot in Italien: Haggada aus Mantua (1560, Fronarbeit in Ägypten, wundersame Vermehrung des israelitischen Volkes - der rabbinischen Literatur entlehnt; Haggada aus Venedig (1609, Titelseite).
Die Haggada von Venedig fällt in die Blütezeit des italienischen Buchdrucks, der gegen Ende des 16. Jh. abflaut. Später verlagert sich der Schwerpunkt der europäischen Buchproduktion nach Norden, was sich im jüdischen Rahmen in der Haggada von Amsterdam niederschlägt. Diese Kupferschnitt-Haggada wurden von dem Konvertiten Abraham bar Jakob hergestellt, der sich einer Kupferschnittfolge von Matthäus Merian d. Ä. als Modell orientierte (Schlangenwunder).
Im 18. Jh. kommt es besonders in Böhmen und Mähren, aber auch an anderen Orten, zu einer Wiederbelebung der hebräischen Handschriftenkunst, besonders nochmals im Bereich der Haggada-Illustration. Auftraggeber sind Hofjuden, Kaufleute und Bankiers. Das Schreiberhandwerk hatte sich erhalten, da Torarollen immer handschriftlich hergestellt wurden und werden. Zu den Herstellern solcher Handschriften gehören: Joseph ben David aus Leipnitz (Mähren), Uri Feibusch Isaak Segal aus Altona, Juda Löw ben Elija Hakohen aus Leszno. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Tradition sind die Illustrationen dieser Maler nicht mehr von der rabbinischen Kommentarliteratur beeinflußt und öffnen damit den Weg zur modernen jüdischen Malkunst.
(Autorin: Katrin Kogman-Appel)
Das dazugehörige Bildmaterial, welches vom Center of Jewish Art (Hebrew University, Jerusalem) zusammengestellt wurde findet sich unter: http://phaidra.univie.ac.at/detail_object/o:524551
weniger anzeigen