Die Wurzeln einer Tradition von jüdischen Barockhandschriften liegen im böhmisch-mährischen-ungarischen Raum. Von dort wander diese Tradition nach Wien, Hamburg-Altona und in das Rheinland.
Die früheste Werkstatt befand sich möglicherweise in Leipnik, Mähren
Verschiedene potentielle Gründe für die Entwicklung einer solchen Tradition: (1) da die jüdische Religion handschriftliche Dokumente vorsieht (Torarollen) lebt der Schreiberberuf auch nach der Erfindung des Buchdrucks weiter. Toraschreiber suchen einen weiteren Erwerbszweig; (2) wirtschaftlicher Aufschwung jüdischer Familien nach dem Spanischen Erbfolgekrieg und dem siebenjährigen Krieg.
Werkstatt in Trebitsch mit alter Tradition: Arje Jehuda Loebh Kahane stammte aus Trebitsch, war in Wien tätig und wirkte später in Bayern.
Siddur für Simon Wolf, Sohn des Daniel Oppenheim (Bodleian Mic. 9340)
Siddur für einen unbekannten Auftraggeber in Wien (ca. 1720, BL, Add. 17867) mit Text, der der Hoffnung Ausdruck verleiht, dass Kaiser Karl VI den Israeliten Sicherheit bringe. Dieser Text ist von einer Auswahl biblischer Szenen begleitet, deren Ikonographie gedruckten hebräischen Büchern entlehnt ist.
Siddur von 1720
Gebetsordung von 1730 (Braunschweigisches Landesmuseum)
Mosche ben Wolf aus Trebitsch und in Trebitsch tätig. Mosche hinterliess einige Haggadot, die die Ikonographie der Amsterdamer Haggada in ein gemaltes Medium übertragen.
Haggada von 1716/17
Van Geldern Haggada, 1723 für den Hofjuden Eliezer ben Josef aus Düsseldorf (Lazarus van Geldern)
Haggada in Cincinnati (HUC MS 441), 1717 – mit einer Tafelbildartigen Darstellung eines Sedertisches
Meschullam Zemel in Wien tätig.
Haggada von 1719 für Natan, Sohn des Isaak Oppenheim aus Wien (NNL 805573)
Schabbatordnung (Bodl. Mich 4259) für einen Schwiegersohn des Itzhak Oppenheim mit einem kabbalistischen Schabbatritual. Die Federzeichnungen sind Kupferstichen nachempfunden.
Schabbatordnung (BL Add. 8881): Illustration verschiedener Realia, die der christlichen grossbürgerlichen Gesellschaft entlehnt sind.
Widmungsblätter für das Kaiserpaar (1732 und 1733, ÖNB cod. Hebr. 233, 234)
Aaron Wolf Schreiber Herlingen aus Gewitsch, Mähren, in Wien tätig
Birqat mazon von 1724 (NY ?, 8232) mit verschiedenen Segenssprüchen zu diversen festtäglichen und tagtäglichen Situationen
Haggada von 1728 (Sotheby’s catalogue, Tel Aviv 1.10. 1991)
Psalmensammlung von 1735 (Frankfurt/Main, Stadtbibliothek, Ms hebr. Oct 14)
Lateinischer Psalter für einen Erzherzog 1739.
Lavierte Federzeichnungen aus einer Haggada 1749–52 (NY Mic. 4477) – starke Übereinstimmung mit der Amsterdamer Haggadah (sowohl in der Ikonographie, als auch im Versuch, die Kupferstichtechnik nachzuahmen)
Birqat hamazon von 1728 (Kopenhagen, hebr. 32) aus Nikolsburg, dem Sitz des Landesrabbiners von Mähren
Mikrographie: Mikrographische Darstellung der Maria Theresia (verloren); mikrographische Version der fünf Megillot (1733–48)
Natan ben Schimschon von Meseritz, ca. 1720-1740 tätig
Pesachhaggadot nach dem Modell der Amsterdam Haggada (Jerusalem, NNL, cod. 2237)
Psalter mit Federzeichnungen (Jerusalem, NNL, cod. 80987
Chaim ben Ascher Anschel, Kittsee, Preßburg und Wien, tätig zwischen 1741 und 1782 vorwiegend in Kittsee. Die meisten Handschriften enthalten lediglich Blumenornamente im Rokokostil.
Pesach Haggada von 1748 (Jerusalem, Israel Museum cod. 181/53): Kopie der Amsterdamer Kupferstiche mit einigen Motiven aus der venezianischen Holzschnitt Haggada
Josef ben David aus Leipnik, Mähren: während der ersten Hälfte des 18. Jhs an verschiedenen Orten nachweisbar, lässt sich schliesslich in Altona nieder. Figürliche Darstellungen, die den Geschmack der Barockkultur wiederspiegeln: Haggada des Moses Freudenberg (New York, JTS Mic 446) von 1732; Haggada aus Darmstadt (New York, JTS Mic 8253) von 1733; Haggada aus Altona (Amsterdam, Rosenthaliana, MS 383) von 1738.
(Autorin: Katrin Kogman-Appel)
Das dazugehörige Bildmaterial, welches vom Center of Jewish Art (Hebrew University, Jerusalem) zusammengestellt wurde findet sich unter: http://phaidra.univie.ac.at/detail_object/o:525994
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